Was sind die Herausforderungen bei der Pränatal-Diagnostik?

Wenn Sie ein Mann mit Hämophilie oder eine Konduktorin sein, möchten Sie und Ihr Partner möglicherweise mit einem genetischen Berater über die Pränatal-Diagnostik sprechen. Ein/e Humangenetik-BeraterIn kennt sich mit der Pränatal-Diagnostik aus Gentests und ist in der Zusammenarbeit mit werdenden Eltern und Paaren in der Familienplanung geschult.

Humangenetische Beratung ist eine sehr private Angelegenheit und wird ergebnisneutral durchgeführt.

Der/die Humangenetische BeraterIn verbringt viel Zeit mit einem Paar, um ihm zu helfen, seine Möglichkeiten für die Schwangerschaftsdiagnose zu verstehen und fundierte Entscheidungen zu treffen. Wenn vorgeburtliche Untersuchungen zeigen, dass der Fötus eine Hämophilie hat, erklärt der/die Humangenetische BeraterIn den Eltern, welche Wahlmöglichkeiten ihnen zur Verfügung stehen. Der/die BeraterIn informiert die Eltern auch über die umfassenden medizinischen und psychosozialen Versorgungsmöglichkeiten von hämophilen Kindern in Deutschland.

„Wir hatten uns bei unserem Sohn für eine Beschneidung entschieden. Der Eingriff schien gut zu verlaufen - bis die Blutung einfach nicht mehr aufhörte.

Der Kinderarzt vermutete sofort eine Hämophilie. Es war für uns alle sehr traumatisch. “

Da die Entscheidung, ein Kind zu bekommen, so schwerwiegend ist, bekommen die Paare Zeit, über ihre Entscheidungen nachzudenken. Humanenetische BeraterInnen sind darin geschult, Paaren dabei zu helfen, fgrundlegende Fragen für sich zu beantworten, wie zum Beispiel:

  • Welche Erfahrungen haben die Eltern mit Hämophilie gemacht?
  • Was wissen die Eltern über die aktuellen Behandlungsmöglichkeiten für Hämophilie?
  • Wie wirkt es sich auf die Geschwister aus, wenn das neue Kind Hämophilie hat?
  • Hat das Eltern-Paar Zugang zu medizinischer Versorgung?
  • Wird das Eltern-Paar von Familie und Freunden unterstützt?

Oft haben die beiden Eltern unterschiedliche Standpunkte. Manchmal hat das damit zu tun, dass eine/r von beiden bereits Erfahrungen mit Hämophilie gemacht hat und weiß, wie die medizinische Versorgung funktioniert. Ratsuchende Paare können sich an entsprechend geschulte Gesundheitsfachkäfte oder Gemeinde-Angehörige wenden, wie z.B. an:

  • ein/e Humangenetik-BeraterIn
  • eine/n Psychologin/Psychologen
  • ein/e SozialarbeiterIn
  • MitarbeiterInnen des Teams in ihrem Hämophiliebehandlungs- bzw. Gerinnungszentrums.
  • Geistliche in einem Krankenhaus
  • ein/e Geistliche/n aus ihrer eigenen Kirche.
Ich habe bei einem Selbsthilfegruppen-Treffen eine Frau kennengelernt, die wusste, dass sie Konduktorin ist. Ihre Kindheits-Erinnerungen waren durch die Erinnerungen an die Schmerzen ihres chronisch kranken Vaters geprägt.Ihre Mutter ermutigte sie, zu unserer Selbsthilfegruppe zu kommen, um jüngere Eltern mit hämophilen Kindern kennen zu lernen. Ihre Mutter erzählte mir, dass die Begegnungen mit den Eltern und Kindern in unserer Selbsthilfegruppe einen großen Einfluss auf ihre Tochter hatten. Sie hoffte, dass ihre Tochter sich darauf einlassen könnte, schwanger zu werden und die Erfahrung zu genießen.

Basierend auf all den ihnen zur Verfügung stehenden Informationen entscheiden einige Paare, dass sie in der Lage sind, mit der Hämophilie ihres Kindes zurecht zu kommen und ihm ein lebenswertes Leben zu ermöglichen. Anschließend können Sie das GeburtshelferInnen-Team darüber informieren, was bei der Entbindung eines hämophilen Babys beachtet werden muss.

Andere Paare entscheiden sich in der Situation für einen Schwangerschaftsabbruch. In den meisten Fällen kann der/die Humangenetische BeraterIn ein Paar zu einem Arzt / einer Ärztin überweisen, der/die den Schwangerschaftsabbruch Operation durchführen kann (GynäkologIn). Wenn sich die humangenetische Abteilung und das Hämophilie- bzw. Gerinnungszentrum in einem Krankenhaus befinden, in dem keine Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden – wie z. B. in einem Krankenhaus in kirchlicher Trägerschaft - kann das Paar einen Termin bei einem Gynäkologen außerhalb des Krankenhauses bekommen und/oder im Internet Adressen von Einrichtungen recherchieren, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen.

Viele deutsche Einrichtungen, die Paaren helfen, eine Schwangerschaft zu beenden, weil der Fötus ein Gesundheitsproblem hat, bieten auch psychologische Unterstützung an. Da es schwierig ist, eine Entscheidung zu treffen, möchten Paare möglicherweise mit einem Psychologen über ihre Gefühle sprechen. Dies kann einzeln, als Paar oder als Teil einer Gruppe mit anderen Paaren erfolgen, die die gleiche Entscheidung getroffen haben. Manchmal kann das Krankenhaus nützliche Bücher und andere Ressourcen vorschlagen. Wenn Ihre Einrichtung keine Nachsorgeunterstützung anbietet, wenden Sie sich an Ihr regionales Hämophilie- oder Gerinnungszentrum oder an den Deutsche Bluthilfe e.V.



Autor:

Prof. Dr. David Lillicrap, Klinik für Pathologie und Molekulare Medizin, Queen's University Kingston, Ontario; `Canada Research Chair‘ für Molekulare Hämostaseologie

Übersetzter Auszug aus: `All About Hemophilia – A Guide for Families‘, © Canadian Hemophilia Society, 2010

Wir danken der `Hemophilia Society Canada‘ für die großzügige Genehmigung, das Buch einem deutschsprachigen Publikum zugänglich machen zu dürfen.

Übersetzung durch Yves Douma, Medical Writer der CRC GmbH, Duisburg