Wie werden Konduktorinnen diagnostiziert?


Durch Hämophilie-Trägertests kann eine Frau feststellen, ob sie eine genetische Mutation hat, die Hämophilie verursachen kann. Wir wissen, dass alle Töchter eines Mannes mit Hämophilie obligatorische Konduktorinnen sind.

Aber was ist mit Töchtern von Konduktorinnen? Es besteht eine 50-prozentige Chance, die Hämophilie-Mutation zu erben. Alle Töchter von Konduktorinnen sind potentielle Konduktorinnen. Zwei Arten von Blutuntersuchungen können durchgeführt werden, um herauszufinden, ob jemand eine Konduktorin ist oder nicht.


1. Gerinnungs-Test

Ein Labor kann die Art und Weise der Blutgerinnung mithilfe eines einfachen Bluttests messen, der als Gerinnungstest bezeichnet wird. Die Ergebnisse stehen innerhalb von höchstens 48 Stunden zur Verfügung.

Da Frauen, die Konduktorinnen sind, nur ein normales X-Chromosom haben, gerinnt ihr Blut häufig weniger als normal.

Das Problem bei dieser Art von Tests ist, dass viele Konduktorinnen normale Gerinnungsraten aufweisen. Dies bedeutet, dass der Test nur für etwa 8 von 10 Frauen eindeutige Ergebnisse liefert.

Obwohl diese Tests seit Jahren angewendet werden, können sie nicht mit Sicherheit ausschließen, dass eine Frau Hämophilie-Konduktorin ist.


2. DNS-Test

Seit den frühen 1980er Jahren verstehen Wissenschaftler diejenigen Gene besser, die zur Produktion der Faktoren VIII und IX beitragen. Daher können ÄrztInnen inzwischen genauere Tests durchführen, um festzustellen, ob eine Frau Konduktorin ist.

So funktionieren DNS-Tests: Für die Tests werden Blutproben von Familienmitgliedern benötigt. Zunächst wird die DNS aus den Blutzellen herausgelöst. Anschließend wird die Struktur der Gene, welche für die Produktion der Blutgerinnungsfaktoren VIII- und IX zuständig sind, in verschiedenen Schritten durchgeführt. Diese Art von Tests kann mehrere Tage bis mehrere Monate dauern. Es gibt zwei Arten von DNS-Tests.

DNS-Polymorphismus-Test: Bei dieser Art von Test werden genetische Marker (so genannte Polymorphismen) aufgespürt, die sich innerhalb oder in der Nähe der Genmutationen befinden, die Hämophilie verursachen. Diese Art von Tests wird heutzutage seltener verwendet.

Für diese Art von Tests muss die potenzielle Konduktorin eine Blutprobe bereitstellen. Andere Familienmitglieder, einschließlich mindestens einer Person, die an Hämophilie leidet, müssen ebenfalls Test-Blut zur Verfügung stellen. Ihr Hämophilie- bzw. Gerinnungszentrums-Team kann Sie dabei beraten, die richtigen Familienmitglieder für die Tests herauszufinden.

Der Test ist zwar indirekt, liefert aber dennoch sehr zuverlässige Ergebnisse. In einer Familie mit einer Vorgeschichte von Hämophilie A oder B erhalten etwa 95 Prozent der potenziellen Konduktorinnen Testergebnisse, die zu 99 Prozent genau sind. Um diese Art von Erfolg beim Testen zu erzielen, ist es sehr wichtig, dass alle wichtigen Familienmitglieder getestet werden und dass alle Informationen zum Stammbaum korrekt sind.

Direkter Mutationstest: In den letzten zehn Jahren haben Wissenschaftler viel mehr über jene genetischen Mutationen gelernt, die die Produktion der Faktoren VIII und IX beeinflussen.

Es ist nun möglich, DNS-Proben von Menschen mit Hämophilie und von Konduktorinnen direkt auf das Vorliegen einer Hämophilie-Mutation zu testen. Diese direkte Art des Testens ist besonders hilfreich, weil:

  • nicht alle Familienmitglieder getestet werden müssen.
  • in Familien ohne Hämophilie-Vorgeschichte nur die potentielle Konduktorin getestet werden muss.
  • der Test zusätzlich auch noch Therapiehinweise liefert, da er die genaue Genmutation anzeigt.

Da diese Art von Tests kompliziert ist und die Faktor VIII- und IX-Gene groß sind, liegen die Ergebnisse dieser Tests erst nach mindestens sechs Wochen vor. In seltenen Fällen wird die Hämophilie-Mutation mit diesem Test nicht gefunden.

Internationale medizinische Leitlinien empfehlen, dass ein Mädchen aus einer Familie mit einer erblichen Blutungsstörung vor Beginn ihrer ersten Menstruation getestet wird. Dies ermöglicht es der Patientin und ihrer Familie, sich auf den Umgang mit den oft besonders schweren Regelblutungen vorzubereiten.



Autor:

Prof. Dr. David Lillicrap, Klinik für Pathologie und Molekulare Medizin, Queen's University Kingston, Ontario; `Canada Research Chair‘ für Molekulare Hämostaseologie

Übersetzter Auszug aus: `All About Hemophilia – A Guide for Families‘, © Canadian Hemophilia Society, 2010

Wir danken der `Hemophilia Society Canada‘ für die großzügige Genehmigung, das Buch einem deutschsprachigen Publikum zugänglich machen zu dürfen.

Übersetzung durch Yves Douma, Medical Writer der CRC GmbH, Duisburg